Gestorben unter dem Fallbeil der Nazi-Henker, weil er keine Waffe in die Hand nehmen wollte

Michael Lerpscher

Er wurde am 5. November 1905 um 2 Uhr morgens geboren. Man nannte ihn, weil sein Vater Xaver hieß, „Xaverers Michl“. Lerpscher hatte drei jüngere und drei ältere Geschwister, mit denen er am Hauchenberg (zwischen Missen und Diepolz im Oberallgäu gelegen) aufwuchs.

Schon als Kind musste er früh am elterlichen Bauernhof mitarbeiten. Da diente die Schule sozusagen als Erholung. Deshalb war Michael Lerpscher ein guter Schüler.

1915 starb die Mutter. Dies zwang Michael Lerpscher zu früher Reife. Nach zwei Jahren heiratete der Vater wieder. Doch Michael Lerpscher konnte keine rechte Beziehung zu seiner Stiefmutter aufbauen. Es blieb immer etwas Abstand.

„Xaverers Michl“ war kein trauriger Kerl, nein, er war nur ruhig und fiel dadurch auf, dass er überaus christlich war. Michael ging zur Kolpinggruppe in Missen. Dort lernte er den Schreinergesellen Anton Hartmann kennen. Durch ihn kam er 1930 auf die Landwirtschaftsschule im oberbayerischen Benediktinerkloster St. Ottilien. So einen Ort hat Michael Lerpscher immer gesucht. Als er dort Pater Moritz Schrauf kennen lernte, fand er den Weg zur Bibel. Von nun an wurde sie ein wichtiger Teil seines Lebens. Michael konnte nicht mehr aufhören sie zu lesen. Einmal sollte er zu Hause aufs Feld gehen oder ins Holz zum Arbeiten, doch er antwortete dem inzwischen gereizten Vater nur, er habe keine Zeit, er müsse die Bibel lesen. Er las und las. Und seit dem Religionsunterricht beschäftigte ihn besonders die Bibelstelle „Du sollst nicht töten“. Deshalb wandte er sich an Anton Hartmann, den Gründer der Missener Kolpinggruppe, und bat ihn um Hilfe: Er wollte einen Brief an den Papst schreiben und diesen fragen, ob Mord im Notfall erlaubt sei. Michael Lerpscher dachte dabei wahrscheinlich schon an einen kommenden Krieg, um dann keinen Fahneneid leisten zu müssen, weil er solche Hemmungen vor dem Töten hatte.

Als man im Mai 1935 die allgemeine Wehrpflicht einführte, hielt Michael Lerpscher es zu Hause nicht mehr aus. Dr. Max Josef Metzger (geb. 1887) gründete 1919 in Meitingen die „Christkönigsgesellschaft vom weißen Kreuz“ und dort fand Michael Lerpscher seine neue Heimat. Er schloss sich Metzger im August 1935 an und nannte sich „Bruder Bertram“. Viele Mitglieder der Christkönigsgesellschaft bestätigten, dass Lerpscher ein stiller und fleißiger Arbeiter war. Und Mitbruder Vinzenz betonte auch, dass er ein „Radikaler“ war: Er wollte richtig ernst machen mit seinem Christentum, in jeder Beziehung!

Michael Lerpscher beschloss mit seinem Mitbruder Josef Ruf den Kriegsdienst zu verweigern, obwohl er den Fahneneid schwor. Den Hinweis von Josef Rufs Bruder Johann auf die dann wahrscheinliche Todesstrafe beachteten die beiden nicht. Zu diesem Urteil kam es schließlich auch. In Wien wurde verhandelt vor dem II. Senat des Reichskriegsgerichts nach dem Militärstrafgesetzbuch, das für den neu geschaffenen Tatbestand der „Wehrkraftzersetzung“ die Todesstrafe vorsah. Offiziell wurde Lerpscher als Aktennummer 179/40 am 2.August 1940 zum Tode verurteilt und am 2. September 1940 um 9:30 Uhr in das Zuchthaus auf dem Görden bei Brandenburg an der Havel eingeliefert, eine der Hinrichtungsstätten im Deutschen Reich.

Lerpscher verbringt die Zeit der Gefangenschaft in einem „Kammerkasten“. So nannte man die besonders engen Zellen. Die letzten Stunden waren die Gefangenen unter strenger Bewachung.

Vermutlich saß Michael Lerpscher eines morgens „lächelnd und frei vom großen Stolz der Welt“ da, als der Hauptwachmeister die Todeszelle betrat und seine Anordnung gab: „Anzuziehen ist nur die Hose ohne Hosenträger. Strümpfe, Unterhose, Hemd müssen fein säuberlich auf den Hocker gepackt werden. Und das Jackett darf ebenfalls nicht getragen werden.“ Nun begann die letzte Stunde für Michael Lerpscher. Als der Urteilspruch verlesen wurde, schoben die Henker den Vorhang zurück. Sie ergriffen den Häftling, drückten ihm beide Arme auf den Rücken und dieser musste nun seinen Hals in die halbrunde Öffnung unter dem Fallbeil legen. Das Fallbeil sauste mit einem Hebeldruck nieder und der abgetrennte Kopf rollte in eine Blechschale. Zuletzt wurde dem leblosen Körper noch die Hose heruntergerissen und der nackte Körper wurde in die Holzkiste geworfen, der Kopf zwischen die Beine. Dann erfolgte der Transport zum Krematorium nach Brandenburg.

Die furchtbare Nachricht, dass Lerpscher hingerichtet worden ist, kam erst ein paar Tage später in seiner Heimat an. Keiner konnte es so richtig fassen, dass er nun tot ist. Man fragte sich nur, warum er nicht als Sanitäter gegangen ist, da hätte er die Waffe ja nicht benutzen müssen. Aber irgendwie wusste jeder, dass es mit Michael Lerpscher so kommen würde. Den genauen Inhalt dieser amtlichen Mitteilung kannten nur der Vater und die Stiefmutter:

„BERLIN - CHARLOTTENBURG 5, DEN 5.9.1940

DER OBERREICHSKRIEGSANWALT AN
HERRN XAVER LERPSCHER IN WILHAMS, HAUSNR.12, LANDKREIS SONTHOFEN:

IHR SOHN, DER HILFSARBEITER MICHAEL LERPSCHER, IST DURCH FELDURTEIL DES REICHSKRIEGSGERICHTS WEGEN ZERSETZUNG DER WEHRKRAFT ZUM TODE VERURTEILT WORDEN. DAS URTEIL WURDE HEUTE VOLLSTRECKT.“

 

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