"Selig sind die Sanftmütigen; denn  sie werden das Land erben" (Mt 5,5)

Die neun Seligpreisungen bei Mattäus gliedern sich zunächst in zwei Strophen mit jeweils vier aufeinander folgenden Seligpreisungen.

Im 1. Abschnitt (Mt 5,3-6) geht es um das Ertragen schwieriger Lebensumstände,

im 2. Abschnitt um die Bewährung im alltäglichen Verhalten (Mt 5,7-10).

Darauf folgt ein dritter Abschnitt (Mt 5,11-12) mit der Seligpreisung der Verfolgten, der sich auch formal unterscheidet: Die Anredeform wechselt von der 3. Person zur direkten Anrede in der 2. Person Plural ("ihr").

Die Seligpreisung der "Sanftmütigen" findet sich im 1. Block und bezieht sich somit auf das Ertragen schwieriger Lebenssituationen.

Die Seligpreisung erfolgt in Anspielung auf Ps 37,9.11: "Denn die Bösen werden ausgetilgt; die aber auf den Herrn hoffen, werden das Land besitzen. (...) Doch die Armen werden das Land bekommen, sie werden Glück in Fülle genießen."
Sie erfolgt weiterhin unter Bezug auf die Landverheißung an die Väter Israels (Gen 17,8): "Dir und deinen Nachkommen gebe ich ganz Kanaan, das Land, in dem du als Fremder weilst, für immer zu eigen, und ich will ihnen Gott sein."
Die Verheißung "des Landes / der Erde" (gr. gä) ist bei Mattäus weder in rein irdischem Sinn gemeint noch ins Jenseits verschoben, sondern umfasst beides. Gemeint ist das Reich Gottes.

"Sanftmütig" (gr. praos, lat. mitis) - was meint das eigentlich?

Sinnverwandte Wörter sind etwa: mild, freundlich, gewaltlos, behutsam, weich, gütig, schonend, sacht, friedsam, demütig, ...

Jesus bzw. Mattäus preist die Menschen selig, die in ihrem Leben sich mild, freundlich, gewaltlos, behutsam, schonend, sacht gegenüber anderen Menschen und der Umwelt zeigen.

 

"Selig die Barmherzigen; denn sie werden Erbarmen finden. (Mt 5,7)

 

Die Seligpreisung der Barmherzigen findet sich im zweiten Block des Textes. Es geht nicht mehr um das Erleiden einer schwierigen Situation, sondern um eine vorbildhafte Verhaltensweise, um richtiges Handeln.

Was meint "barmherzig" (gr. eleämones, lat. misericordes)?

Barmherzigkeit und Erbarmen sind in der heutigen Alltagssprache nicht sehr häufig gebrauchte Begriffe. Wir würden heute eher von "Mitleid" mit dem Schicksal Anderer oder von der "Betroffenheit" über das Leid anderer Menschen sprechen. Gemeint ist also das "Mitfühlen".

Jesus bzw. Mattäus sagt: Selig sind, die das Leid anderer nicht übersehen, sondern mit ihren Nächsten hilfreich mitfühlen. Sie dürfen selbst auf das Erbarmen Gottes rechnen.

Die Seligpreisungen der Bergpredigt sind Ausdruck der Überzeugung, dass das

Reich Gottes

mit dem Kommen Jesu angebrochen und erfahrbar ist. Nicht das Leid um des Leidens willen wird hier positiv bewertet, vielmehr ging es dem historischen Jesus, auf den der Grundbestand der Seligpreisungen zurückgeht, und dem Evangelisten Mattäus darum, den Leidenden Trost zuzusprechen, ihnen das Ende aller Qualen im Zusammenhang mit dem Kommen des Reiches Gottes zu verheißen. Deshalb stehen die Seligpreisungen auch am Beginn der Bergpredigt als Zuspruch und Ermutigung. Mit den Verheißungen der Seligpreisungen ermöglicht Jesus / Mattäus seinen Zuhörern, sich dann auf die Forderungen der Bergpredigt einzulassen. Nicht tugendhafte Menschen werden selig gepriesen, sondern es werden Menschen zu einer für sie unangenehmen Situation beglückwünscht. Eine von Gott gewirkte, paradox erscheinende Wende wird angesagt. Die in Aussicht gestellte Besserung der Zustände resultiert dabei nicht aus dem Tun des Menschen, sondern ist von Gott verheißen, ist Geschenk Gottes, realisiert im bereits im Keim vorhandenen Reich Gottes. Die Seligpreisungen sind daher nicht billige Vertröstungen. Das Reich Gottes ist bereits im Ansatz da, ohne Bedingungen und Vorleistungen, als Geschenk Gottes.

Das Reich Gottes
(gr. basileia tou theou)
stellt also dar

 

eine gegenwärtige und zukünftige Größe:
Es ist mit Jesu Kommen angebrochen, findet seine Vollendung aber erst am Ende der Zeiten, das nahe bevorsteht und einen neuen Äon einleitet.

eine diesseitige und jenseitige Größe:
Es ist die organisierte Gemeinschaft aller Menschen, die den Willen Gottes ausführen wollen. Es ist aber gleichzeitig der transzendente Bereich Gottes, in den die Menschen erst mit dem individuellen Tod bzw. am Ende der bestehenden Welt eingehen.

eine äußere und innere Größe:
Die Mitgliedschaft im Reich Gottes zielt auf Aktion: Erneuerung der Welt. Gleichzeitig besteht diese Mitgliedschaft in der inneren Bereitschaft des einzelnen, nach dem Willen Gottes zu leben.

ein Geschenk Gottes und eine Leistung des Menschen:
Die Gründung des Reiches Gottes und die Aufnahme in dieses Reich sind freie Geschenke Gottes, die Menschen hätten darauf keinen Anspruch und hätten durch eigene Leistung dieses Reich Gottes nicht herbeiführen können. Der Mensch ist aber dazu aufgerufen, an der Ausbreitung und Vollendung des angebrochenen Gottesreiches mitzuwirken.

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